Puzzeln ohne Vorlage
Welche Spuren hat Paul Goesch hinterlassen? Wo hat er gelebt, studiert und gearbeitet? Wer waren seine Freunde, Familienangehörigen und Kolleg:innen? Existieren noch Briefe oder Fotos von ihm? Was lässt sich über seine Patientenakte sagen? Wo werden seine Werke aufbewahrt? Das alles sind Fragen, die ich für die Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde beantworten soll, die ich mir als freier Historiker aber auch selbst stelle.
Meine Recherche beginnt online und in Ausstellungskatalogen zu Paul Goesch, wo ich wichtige Quellenangaben finde. Schnell wird klar, dass sowohl Paul Goeschs Werk als auch das entsprechende Aktenmaterial in Archiven und Sammlungen auf der ganzen Welt zerstreut liegt: Unter anderem in Berlin, Hamburg, Köln, Heidelberg, Mannheim, aber auch in der Schweiz, Frankreich, Portugal und Kanada. Die Herausforderung besteht darin, diese vielen losen Puzzlestücke zu sammeln, zu ordnen und zusammenzusetzen.
Heidelberg
Mein Weg führt mich zunächst nach Heidelberg, in die Sammlung Prinzhorn, welche mehrere hundert Werke von Paul Goesch aufbewahrt. Die Kuratorin Ingrid von Beyme gewährt mir einen Blick auf die Originalwerke. Die zum Teil sehr kleinen Kunstwerke erstmals „in echt“ zu sehen, ist eine bewegende Erfahrung für mich. Viele Details bleiben in Büchern oder im Internet unsichtbar und offenbaren sich mir erst jetzt. Gerade die Rückseiten zeigen viel von Goeschs persönlicher Seite, die bei den Reproduktionen verloren geht.
Köln
Die nächste Reise führt mich nach Köln zu Stefanie Poley. Sie ist die Vorsitzende des Freundeskreises Paul Goesch und hat viel zur Wiederentdeckung von Paul Goesch beigetragen. Neben weiteren Originalwerken zeigt sie mir persönliche Gegenstände von Paul Goesch, Fotos und einige wichtige Dokumente. Mit ihrer Hilfe kann ich einige Puzzleteile zusammensetzen und mein Wissen weiter vertiefen. Mittlerweile bin ich fasziniert von der Komplexität von Paul Goeschs Persönlichkeit, von der Vielfältigkeit seiner persönlichen Beziehungen und der aufregenden Zeit, in der er lebte.
Hamburg, Mannheim, Berlin…
Bei der Durchsicht meiner Ergebnisse wird mir jedoch klar, dass ich tiefer graben muss. Ich besuche deshalb die Kunsthallen in Hamburg und Mannheim, die Berlinische Galerie und die Akademie der Künste. Ich korrespondiere mit Museumsmitarbeiter:innen, Galerist:innen und Archivar:innen, spreche mit Restaurato:innen und Historiker:innen. Schließlich telefoniere ich sogar mit einem Baudirektor. Recherchearbeit fühlt sich oft an wie eine Schatzsuche. Wer schon einmal historisch gearbeitet hat, weiß wie faszinierend diese Arbeit ist und wie schwierig, sich nicht darin zu verlieren.
Danzig
Trotzdem muss die Recherche Ende Juni 2023 abgeschlossen sein. Meine (vorerst) letzte Reise wird mich in das Staatsarchiv in Danzig (Polen) führen, wo noch Akten aus der Nervenheilanstalt Schwetz lagern, in der Paul Goesch zwischen 1915 und 1917 Patient war. Es bleibt spannend!