Wie alt muss man sein, um sich mit der nationalsozialistischen „Euthanasie“ befassen zu können? Eine Frage, die wir uns immer wieder stellen, auch im Hinblick auf unsere Workshops. Die Gruppe, die uns heute in der Galerie „Sonnensegel“ erwartet, ist altersmäßig sehr gemischt: Die ältesten Jugendlichen sind sechzehn, die jüngste sieben Jahre alt. Vor diesem Hintergrund haben wir uns besonders intensiv vorbereitet.
Einstieg über das Werk
Als wir den Raum betreten, sind erst wenige Teilnehmende anwesend. Wir packen unser Material aus und verteilen die zahlreichen Farbkopien von Goeschs Gemälden auf dem großen Werkstisch in der Mitte. Alle sind von der Vielfalt und Farbenpracht fasziniert und reichen andächtig die laminierten Farbdrucke herum. Als die letzten eintrudeln, sind die Gespräche bereits in vollem Gange.
An den Menschen erinnern
Wir fangen beim Schluss an und erklären gleich zu Beginn: Wir beschäftigen uns mit diesem Künstler, weil die Nationalsozialisten ihn hier Brandenburg ermordet haben! Eine Tatsache, die wir nicht verschweigen können. Danach legen wir unser Hauptaugenmerk jedoch auf seine Kunst und sein Leben. Hier können alle anknüpfen und schließlich soll auch die zukünftige Ausstellung vor allem an den Menschen Paul Goesch erinnern und nicht allein an seine Todesumstände.
Als Künstler in der Psychiatrie
Ein Zugang, der funktioniert. Die Anwesenden stellen viele tiefgründige Fragen. Eine Jugendliche interessiert zum Beispiel, wie Paul Goesch es schaffte auch während seiner Klinikaufenthalte weiter zu malen und künstlerisch aktiv zu sein. Anhand der mitgebrachten Werke können wir zeigen: Wenn es Goesch an Zeichenpapier mangelte, verwendete, was er gerade finden konnte – Briefumschläge, Postkarten, selbst kleinste Papierschnipsel. Für Collagen oder kleine Skulpturen nutzte er sogar abgebrannte Streichhölzer, Zigarettenschachteln oder Bindfadenreste.
Porträts auf Zeitungspapier
Für ihre eigenen Arbeiten entwickeln die Teilnehmenden die Idee, auf Zeitungspapier zu arbeiten. Außerdem wollen sie sich dem Porträt, einem der Hauptthemen von Goeschs Werk widmen. Als uns Wochen später die fertigen Kunstwerke präsentiert werden sind wir beeindruckt, wie durchdacht und sorgfältig sie gearbeitet sind. Was uns auffällt: In vielen Bildern wird auch nach dem Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt gefragt – ein Thema, dass die Kinder und Jugendlichen selbst eingebracht haben. Zum Arbeitsprozess sagt eine der Teilnehmenden später: „Dass man nicht immer ein großes, weißes Blatt Papier braucht, um zu malen, das wird mich auf jeden Fall weiter begleiten. Man kann auf allem malen!“