#26 Werkauswahl

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4. Dezember 2023

Ich bin wieder in meinen ehemaligen Arbeitsräumen in der Stadtverwaltung Brandenburg an der Havel. Früher organisierte und dokumentierte ich hier alle Stadtverordnetenversammlungen, fast 20 Jahre lang. 1940 befand sich hier am Nicolaiplatz die Euthanasie-Tötungsanstalt, in der Paul Goesch ermordet wurde. Jetzt laufe ich gemeinsam mit den anderen ehrenamtlichen Ausstellungsmachern im Kreis um einen Tisch auf dem Farbkopien von Kunstwerken Paul Goeschs liegen. Unsere Aufgabe: Entscheiden, welche wir im Original ausleihen werden, um sie in unserer Ausstellung zu zeigen.

Wie werden wir Paul Goesch gerecht? 

Die wichtigste Frage, die ich mir immer wieder dabei stelle, ist: Was wollte uns der Künstler und Architekt mit seinen Werken mitteilen? Verbergen sich hinter den vielen verschiedenen Malstilen, seine eigenen Betrachtungen auf sein Leben? Hinweise auf den steten Kampf mit seiner psychischen Erkrankung, seine Arbeit als Architekt, sein familiäres Umfeld? Über 2000 Gouachen, Collagen und Grafiken von Paul Goesch sind erhalten. Die zum Teil sehr kleinen Bildflächen spiegeln eine sehr bunte und trotzdem manchmal traurige Lebenswelt wider. Bilder, die größte Aussagekraft über sein Leben haben. Werden wir ihm mit unserer Werkauswahl gerecht? Gleichzeitig müssen wir uns fragen, wie wir mit unserer Auswahl die Besucher erreichen, um sie an seinem Leben und Schicksal teilhaben zu lassen. Eine schwierige Aufgabe. 

Die Entscheidung

Etliche Runden drehen wir um die Tische mit den Bildern. Die Auswahl findet in drei Durchgängen zu je einer der Institutionen statt, aus der wir Originalwerke entleihen werden: Berlinischen Galerie, Akademie der Künste und Sammlung Prinzhorn in Heidelberg. In jedem Durchgang darf jeder der Ausstellungsmacher jeweils fünf Punkte vergeben. Daraus ergibt sich drei Ranglisten. Eine pragmatische Vorgehensweise: Falls eine der Institutionen eine unserer Leihanfragen ablehnt, soll ein anderes Werk nachrücken. Drei Stunden dauert die Entscheidungsfindung. Immer wieder prüfen wir unsere Entscheidungen zu den Ausstellungswerken: Wie fühlen wir Goeschs Leben nach? Können wir mit unseren Entscheidungen Herz und Geist der Ausstellungsbesucher berühren? Am Ende steht eine Entscheidung: Wir werden Leihanfragen für 17 Werke aus der Berlinischen Galerie, 6 aus der Akademie der Künste und 15 aus der Sammlung Prinzhorn stellen. Das Endergebnis kann sich sehen lassen. Nun heißt es abwarten ob auch alle beteiligten Instanzen unseren Anfragen zustimmen. 

Einzelnachweise

Birgit Klaus

Birgit Klaus arbeitete mehrere Jahre als Krankenschwester in der neurologisch-psychiatrischen Klinik in Brandenburg-Görden. Später war sie über 20 Jahre lang Abteilungsleiterin und erste Schriftführerin der Stadtverordnetenversammlung Brandenburg an der Havel. Heute engagiert sich die Rentnerin unter anderem im Historischen Verein der Stadt sowie im Dom.
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