Jährlich kommen zwei Gruppen angehender Erzieher:innen für den künstlerischen Teil ihrer Ausbildung zu uns ins „Sonnensegel“. 2019 übernahm ich diese Kurse, die Teil unserer langjährigen Kooperation mit dem Oberstufenzentrum (OSZ) „Alfred Flakowski“ sind. Jeder Kurs wählt gegen Ende eine Projektarbeit, die sich auf konkrete Fragen der Fachausbildung bezieht. Im Herbst 2022 und Frühjahr 2023 nutzten wir die Gelegenheit, uns mit Paul Goesch zu beschäftigen. So entstanden zwei sehr starke Arbeiten. Hier will ich von der zweiten berichten.
Den Auftakt machte das Gedenkstättenteam mit einem sehr intensiven Workshop zu Paul Goesch: Auseinandersetzung mit seinem Schicksal und Annäherung an seine Werke an nur einem Vormittag! In der darauffolgenden Woche traf ich mich mit den Auszubildenden, um zu besprechen, wie wir das Gelernte zu einer eigenen Arbeit machen können.
Der Festsaal
Alle waren immer noch stark von dem Erfahrenen beeindruckt. Was uns dann besonders interessierte, war die Wandgestaltung eines Festsaals im so genannten „Ledigenwohnheim Lindenhof“ in Berlin, welche Goesch mit einem Künstlerkollegen ausgeführt hatte. Von diesem Raum gab lediglich eine undeutliche Schwarzweißfotografie. Das von Bruno Taut entworfene Heim selbst wurde bereits 1933 durch einen neuen Pächter vollständig umgestaltet und dann während des Krieges 1943 durch einen Bombenangriff zerstört.
Das Modell
Wir nahmen uns das Thema der Wand-Raum-Gestaltung und planten, ein Haus zu bauen, das ein Wandbild beherbergen sollte. Wir stellten uns viele Fragen und fanden unter Anderem heraus, dass in dem Ledigenwohnheim ausschließlich junge Männer gewohnt hatten. Außerdem sahen wir uns verschiedene Abbildungen der Werke Paul Goeschs nochmal genauer an. Die Schüler:innen konzipierten dann gemeinsam einen eigenen Raum. Verschiedene Arbeitsgruppen kümmerten sich um einzelne „Gewerke“ wie Architektur und Statik, Wandmalerei und Dachgestaltung und arbeiteten parallel an den jeweiligen Teilen des Gebäudes. Einzelheiten für Technik und Gestaltung wurden besprochen, Material besorgt, ausprobiert, was funktioniert. Am ruhigsten ging es bei den „Maler:innen“ zu. Sie waren ganz in ihre Arbeit auf dem Papier vertieft, deren Ergebnisse sehr detailliert und dicht waren. Das Modell wurde so konzipiert, dass es wieder auseinandergenommen werden kann. Das fertige Modell zeigt eine stark emotionale, einfühlende Malerei im Innern, während die Fassade über eine strenge Form mit ebenso fein ausgeführten ornamentalen Elementen verfügt. Beides zeugt vom Geschick der Schüler:innen. Das Porträt Paul Goeschs ist an der Frontwand des Innenraums zu sehen. Das Endergebnis wirkt wie das Modell einer Gedenkkapelle für Paul Goesch.